Apr 262020
 
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Dass das Jagdschloss Stern schon zu Goethes Zeiten eine touristische Attraktion war, belegt sein Tagebucheintrag vom 22. Mai 1778. Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) machte anlässlich seiner Rückreise aus Berlin mit Herzog Carl August von Sachsen-Weimar vom 20. bis 23. Mai 1778 wieder in Potsdam Station und nutzte den zweiten Tag zu einem morgendlichen Ausritt zum Jagdschloss Stern. Der kurze Eintrag „22 Sternhaus früh.“ dokumentiert diesen Besuch.

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Jedenfalls hat sich Goethe von Potsdam aus extra zu diesem eher abgelegenen Ort aufgemacht. Dies ist umso bemerkenswerter, da das Jagdschloss Stern nach dem Tod Friedrich Wilhelms I. nicht mehr jagdlich genutzt wurde, allerdings wegen der besonderen Architektur und der im benachbarten Kastellanhaus betriebenen Schankwirtschaft ein beliebtes Ausflugsziel der Potsdamer Bürger und Offiziere der dortigen Garnison war.

Foto-Inventarnr: F0013705; Fotograf: Lindner, Daniel; Aufnahmedatum: 2009

Aquarell von Johann F. Nagel, 1788

 
Schon auf dem Weg nach Berlin hatten Goethe und Herzog Carl August am 15. Mai 1778 Potsdam besucht. Die Reisegesellschaft war gegen sechs Uhr früh im Übernachtungsort Treuenbrietzen aufgebrochen und nach Potsdam gefahren, wo sie das Große Militär-Waisenhaus und den Langen Stall (Exerzierhaus) in Augenschein nahm. In Goethes Tagebuch heißt es dann: „Nachmittag nach Sanssouci. Castellan ein Flegel.“ Der König war abwesend. Friedrich der Große (1712-1786), der von Goethe verehrte „Alte Fritz“, befand sich im schlesischen Schönwalde (heute Stoszowice) und bereitete sich dort auf seinen letzten Krieg, den bayerischen Erbfolgekrieg gegen Österreich (später auch als Kartoffelkrieg bekannt) vor. Die Berlin-Reise war kein Ausflug in den preußischen Frühling, sondern diente einer diplomatischen Mission. Carl August reiste inkongito und führte in Berlin, Potsdam und Dresden interne Gespräche, bei denen er mögliche Folgen des drohenden Krieges für sein Herzogtum herausfinden wollte. Auch ging es um Friedrichs Ersuchen an den Weimarer Hof, das Anwerben von Soldaten auf seinem Hoheitsgebiet zuzulassen.
 
Goethes Tagebucheinträge dieser Reise nach Berlin sind – vielleicht auch wegen des heiklen diplomatischen Hintergrunds – spärlich und eher flüchtige Notizen mit Stichworten, Abkürzungen und Geheimzeichen. Kein vollständiger Satz. Berlin – sechs Tage in 15 Zeilen. Namen, Örtlichkeiten – mehr nicht.    
 
In einem Brief an Charlotte von Stein schreibt Goethe über seinen Aufenthalt in Potsdam auf der Rückreise etwas poetischer:

„Potsdam d. 21. Durch einen schönen Schlaf hab ich meine Seele gereinigt. Gestern Abend sind wir wieder hier angekommen. Wir wollen uns noch umsehen und dann wohl morgen weiter, Mein Verlangen steht sehr vorwärts nach hause. […]“ (Goethes Werke. Hrsg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen. IV. Abteilung Goethes Briefe. 3. Band. Weimar 1788, S. 226).

Ob Goethe das Jagdschloss Stern von innen sah oder vielleicht im Kastellanhaus einkehrte, ist nicht überliefert. Wenigstens war der Kastellan im Gegensatz zu seinem von Goethe ausdrücklich so titulierten Kollegen in Sanssouci offenbar kein „Flegel“.

Quellen: J. W. Goethes Tagebucheintrag seines Besuches im Jagdschloss am 22. Mai 1778 befindet sich im Goethe- und Schiller-Archiv, Klassik Stiftung Weimar, im gedruckten Leipziger Kalender für 1778, Archivsignatur GSA 27/4 Bl. 16 verso.; lesenswerte Beiträge über Goethe in Berlin von Claus Stephan Rehfeld bei Deutschlandfunk Kultur vom 4. Dezember 2008 und von W.N. bei in-Berlin-Brandenburg.com, Stand: 26.04.2020. 

Hinweis: Wenn Sie auf die Abbildungen klicken, werden diese groß angezeigt.

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