Feb 202021
 
Prinz Carl v. Preußen

Hier wie angekündigt zwei weitere historische Fundstücke aus der Renaissance des Jagdschlosses Stern in der Mitte des 19. Jahrhunderts:

Prinz Carl v. Preußen

Prinz Carl v. Preußen

Das von Prinz Carl von Preußen (1801-1883), einem jüngeren Bruder des zu dieser Zeit regierenden Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861), wieder als Ausgangs- und Endpunkt von Parforcejagden (anfangs wohl auch auf Hirsche, später vor allem auf Wildschweine) genutzte Jagdschloss Stern wird in zeitgenössischen Beschreibungen immer wieder einmal im Zusammenhang mit dieser Jagdausübung erwähnt. So findet sich in den Lebenserinnerungen des seinerzeit sehr bekannten Schauspielers, Autors, königlichen Vorlesers und Hofrats Louis Schneider (1805-1878) eine Episode zu seiner mehr oder weniger freiwilligen Teilnahme an den Parforcejagden am Jagdschloss Stern ab dem Jahr 1851 (Louis Schneider, Aus meinem Leben Bd. II, S. 304-305). Nach einem entsprechenden Einsatz als Verfasser und Vortragender humoristischer Jagdprotokolle für den König bei dessen Jagdaufenthalten in der Schorfheide wurde er von den Prinzen Carl und Albrecht (1809-1872) dann auch zu deren Jagden am Jagdschloss Stern eingeladen, um dort ebenfalls zur Unterhaltung der Jagdgesellschaft beizutragen. Er war sich jedoch der Gefahr bewusst, in der adligen Gesellschaft nicht anerkannt und gewissermaßen zu einem neuen Gundling zu werden. So lehnte er das wohlmeinende Angebot der Prinzen ab, sich für diese Anlässe auch einen roten Jagdrock zuzulegen oder sich vom König einen solchen spendieren zu lassen. Die eigentliche Aufgabe, die er in der Rückschau als die schwierigste seines Dienstes bezeichnet,  musste er aber übernehmen und war bis 1858 regelmäßiger Teilnehmer herbstlicher Parforcejagden am Stern.

Hofrat Louis Schneider

Hofrat Louis Schneider

Louis Schneider gründete 1862 den Verein für die Geschichte Potsdams (und 1865 auch das entsprechende Berliner Pendant), dem er bis zu seinem Tod 1878 vorsaß. Die Protokolle und zahlreichen Veröffentlichungen dieser beiden Vereine sind auch heute noch wichtige Quellen der Orts- und Regionalgeschichte. Für uns besonders interessant ist das hier wiedergegebene Protokoll einer Zusammenkunft der Potsdamer Geschichtsvereins im Jagdschloss Stern am 28. September 1864 in Anwesenheit des Prinzen Carl (Mitteilungen Verein für die Geschichte Potsdams Protokoll 26. Versammlung 28.9.1864 im Jagdschloss Stern). In dem Protokoll ist vermerkt, dass sich 73 (!) Personen präcise 4 Uhr im Schloss versammelten und seine Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen die Sitzung mit seiner Höchsten Gegenwart beehrte. Der gerade begonnene Vortrag Schneiders über das Jagdschloss Stern wurde überraschend gestört, als vor dem Schlosse im Walde die königliche Jagdmeute, geführt von dem königlichen Ober-Piqueur und Inspector Herrn Kikisch, sowie drei Piqueuren, sämmtlich mit Schimmeln beritten und in rothen Parforce-Jagdröcken, erschien, wahrscheinlich zum Zwecke der  Übung für die auf den 30. September angesetzte erste königliche Parforce-Jagd dieses Jahres.  Der Vortragende brach sofort ab, und machte die Anwesenden, von denen die Meisten noch nie eine Jagdmeute in Thätigkeit gesehen, aufmerksam, dass es wohl keine bessere Einleitung zu einem die Jagd, Jägerei und den Wildpark betreffenden Vortrage geben könne als das Schauspiel, welches sich so willkommen soeben vor dem  Schlosse entwickelte. So trat denn die ganze Versammlung in’s Freie, und seine Königliche Hoheit der Prinz Carl befahlen den Piqueuren einige Übungen im Laufen und Apell mit den Hunden anzustellen. Es waren 54 Hunde in 27 Koppeln, welche nun mehrmals unter dem Klange lustiger Jagdfanfaren sowohl langsam als im vollen Jagdlaufe vor dem Schlosse vorübergeführt wurden und dann durch den Wald abzogen.

Die Meute

Die Meute

In empfänglicher Stimmung durch dieses unerwartete und so ungemein anregende Schauspiel kehrten die Versammelten in den Saal zurück, wo nun Hofrath Schneider seinen Vortrag über die kurfürstlichen und königlichen Wildparke, Thiergärten, den Parforce-Garten, das Jagdschloß Stern selbst und über Jagd und Jägerei bei Potsdam hielt.

Mit Rücksicht auf die fortgeschrittene Zeit wurde der Vortrag nach dreiviertelstündiger Dauer, ohne beendigt zu sein, abgebrochen und die Sitzung um 5 1/4 Uhr geschlossen, um den Teilnehmern noch Gelegenheit zur Besichtigung des Jagdschlosses zu geben, bei der Seine Königliche Hoheit der Prinz Carl die Gnade hatte, bei manchen dieser Gegenstände die Führung und  Erklärung Höchstselbst zu übernehmen. Leider ist der Vortrag und auch der im Protokoll in Aussicht gestellte Aufsatz Schneiders über das Jagdschloss Stern und die Jagd in der Parforceheide dann doch nicht fertiggestellt bzw. veröffentlicht worden.

Die Sitzung des Potsdamer Geschichtsvereins im Jagdschloss Stern an Stelle des sonst hierfür genutzten Saals der Potsdamer Garnisonschule galt übrigens dem vermeintlich 150. Jubiläum der Fertigstellung des Jagdschlosses Stern. Ein Irrtum, der auf der Glasscheibe über der Eingangstür mit der eingeschliffenen Jahreszahl 1714 beruhte, die als Datum der Errichtung des Jagdschlosses interpretiert wurde. Tatsächlich wurde das Jagdschloss Stern aber von 1730-32 erbaut, so dass das „richtige“ Jubiläum erst 18 Jahre später und damit im Jahre 1882 hätte begangen werden dürfen. Aber so wären wir um diese lebendige Beschreibung der Versammlung samt ihrer hochwillkomenen Unterbrechung ärmer.

  One Response to “Unerwartete Unterbrechung”

  1. […] Geschichte Potsdams (Neue Folge Band V Heft 7) nimmt Heckel Bezug auf die in unserem Beitrag „Unerwartete Unterbrechung“ beschriebene frühere Zusammenkunft des Potsdamer Geschichtsvereins im Jagdschloss Stern im […]

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