Sep 122021
 
(Ansicht des wohnlich gestalteten Saals zur Kaiserzeit)

Wir sind immer auf der Suche nach historischen Dokumenten, Beschreibungen und Abbildungen, die uns Näheres zur Geschichte und zur Nutzung des Gebäudeensembles am Stern verraten. Manches davon passt wie ein Puzzleteil zum anderen und ergibt letztlich ein annähernd vollständiges Bild.

Einige dieser Fundstücke haben wir Ihren in der Rubrik „Ereignisse und Gedanken“ bereits vorgestellt. Heute wollen wir einen Vortrag von Julius Haeckel erwähnen, den dieser unter dem Titel „Neues vom Jagdschloss Stern“ bei einer Sitzung des Vereins für die Geschichte Potsdams im Jagdschloss Stern am 22. Mai 1911 gehalten hat und der in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Potsdams (Neue Folge Band V Heft 7 (1912)) veröffentlicht ist. In seinem Vortrag nimmt Haeckel Bezug auf die in unserem Beitrag „Unerwartete Unterbrechung“ beschriebene frühere Zusammenkunft des Potsdamer Geschichtsvereins im Jagdschloss Stern im September 1864 und berichtet über seither neu gewonnene Erkenntnisse. Die Schilderung seiner Archivrecherchen und detaillierten Beschreibungen der Einrichtung des Schlosses geben wertvolle Hinweise zur damit zweifelsfrei belegten Erbauungszeit des so genanten „neuen Hauses“ am Stern in den Jahren 1730-32 und zu seiner damaligen Ausstattung. Der Beitrag von Haeckel ist leider nicht bebildert. In einem Werk über den Landkreis Teltow findet sich jedoch ein Foto des Saales im Zustand von 1919, der einige der von Haeckel erwähnten Ausstattungselemente belegt, darunter die an den Wänden aufgehängten Fayenceteller und -platten aus der ehemaligen Küchenausstattung.

(Ansicht des wohnlich gestalteten Saals zur Kaiserzeit)

(Ansicht des wohnlich gestalteten Saals zur Kaiserzeit)

Das Mobiliar des Saales stammte nach Haeckel aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die von Haeckel erwähnten wenigen originalen Ausstattungsgegenstände aus der Zeit Friedrich Wilhelms I. (darunter Teller und Leuchter aus Fayence sowie zwei kostbare Meißener Porzellanbierkrüge mit reizenden chinesischen Malereien in früher Meißener Art und mit vergoldeten silbernen Deckeln) sind danach in das ab 1877 eingerichtete Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou in Berlin gelangt. Die Beschreibung der beiden kostbaren Porzellanbierkrüge passt auf eines der heute zum Bestand des Kunstgewerbemuseums in Schloss Köpenick gehörenden Objekte. Vielleicht ist dies einer der Bierkrüge aus dem Jagdschloss Stern.

Deckelkrug chines. Motiv Kunstgewerbemuseum

Im Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou war ein Raum eigens im Andenken an Friedrich Wilhelm I. mit dem Tisch des Tabakskollegiums gestaltet, während die u.a. aus dem Jagdschloss Stern stammenden Objekte in den Vitrinen Platz gefunden haben. 

Im einer zeitgenössischen Beschreibung des Raumes im Hohenzollernmuseum heißt es hierzu:

Weiterschreitend erreichen wir das Zimmer König Friedrich Wilhelm I., im Styl seiner Zeit ausgestattet mit Oelgemälden an den Wänden… . Der in der Mitte des Gemaches stehende derbe Eichentisch mit seinen Stühlen darum, mit den buntbemalten Bierkrügen sowie den langen holländischen Thonpfeifen darauf,  erinnert uns lebhaft von die fröhlichen Stunden des Tabackskollegiums, … .“ (Paul Lindenberg, Das Hohenzollern-Museum in Berlin, 1892, S. 29). 

 

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Tabakskollegium im Hohenzollernmuseum, Aufnahme 1940

Tabakskollegium im Hohenzollernmuseum, Aufnahme 1940

Im Katalog des Hohenzollernmuseums von 1930 wird das Zimmer (Raum 35) wie folgt beschrieben:

Nachbildung eines Tabakskollegiums Friedrich Wilhelms I., wie es sich im Jagdschloß Königswusterhausen, wenn auch erneuert, erhalten hat. Die Einrichtungsgegenstände: Tisch, Stühle, Pfeifen original. (Einige bei den Tabakskollegien benutzte Gläser mit scherzhaften Anspielungen auf einzelne Teilnehmer stehen im Raum 33, Vitrine 5, unterstes Fach). Charakteristisch die Einfachheit des Raumes und seiner Einrichtung. Vgl. das zeitgenössische Bild mit der Darstellung des Tabakskollegiums Friedrich Wilhelms I. über der Drechslerbank, die Friedrich Wilhelm I. von Peter dem Großen geschenkt erhielt. Die Stühle mit Arm-, aber ohne Rückenlehne (auf dem Bild Stuhl des Königs) hatten sich bis 1918 im Jagdschloß Stern bei Potsdam erhalten. Die grün gestrichenen Stühle mit hoher Rückenlehne und bunter Blumenmalerei, ebenso der Stuhl mit fortlaufender gerader Lehne, grün mit bunter Blumenmalerei, in der Form holländisch, kommen ebenfalls auf dem erwähnten Bilde vor. Von diesen Stühlen ist nur einer original, Zeit Friedrich Wilhelms I., die anderen sind Nachbildungen aus der Zeit Friedrich Wilhelms IV.“ (Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, Schloss Monbijou, Hohenzollernmuseum, Amtlicher Führer, Zweite Auflage 1930, S. 45).

Das sich heute im Schloss Königs Wusterhausen, also gewissermaßen am originalen Ort, befindliche Gemälde des Tabakskollegiums von Georg Lisiewski (1674-1750) gehörte damals zum Bestand des Hohenzollernmuseums und bildete das Vorbild für die Raumgestaltung.

Lisiewski, Georg von: Tabakskollegium Friedrich Wilhelms I., GK I 2873.

Bei dem im Museum aufgestellten Tisch (Inv. HM 2976, verrschollen) und zumindest einem Teil der Stühle (Inv. HM 2965-2967) handelte es sich laut Katalog von 1930 um Originale.  Ein gleichartiger Tisch gehörte übrigens zur Ausstattung der 1946 abgetragenen Potsdamer Gloriette (seinerzeit auch als „Tabakshäuschen“ bekannt) und ist leider ebenfalls verschollen. Möglicherweise war es aber auch dieser Tisch mitsamt den Stühlen, der bei der Gründung des Hohenzollernmuseums dorthin überführt worden ist. 

Bild 3_Tabakshäuschen

Hierfür spricht, dass ein älterer Führer durch die Sammlung des Hohenzollernmuseums im Schlosse Monbijou von 1895 (S. 147) von „Tisch, Stühle und Tabakspeifen aus dem Tabakskollegium zu Potsdam“ spricht und die Präsentation sehr dem Foto aus der Potsdamer Gloriette gleicht. Laut einer Inventarliste standen in der Potsdamer Gloriette ein roher eichener Tisch mit sechs Füßen und umlaufender Trittleiste, der 3,13 Meter lang und 0,84 Meter breit war. Dazu gehörten sechs Brettstühle mit Arm- und Rückenlehnen sowie zwei weitere Schemel. Die sechs Stühle seien 1925 an den Sohn des ehem. Kaisers, August Wilhelm, gegangen. Andere Stühle hätten ihren Weg ins Neue Palais resp. nach Königs Wusterhausen gefunden (Quelle: Text zur Ausstellung „Königliches Bassin-Kommunaler Platz“ im Jan Bouman Haus, Potsdam). Übrigens erwähnt auch Theodor Fontane die Existenz eines Potsdamer Pendants des Tisches aus dem Tabakskollegium des Soldatenkönigs (im Beitrag zu Karwe in: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Erster Teil, Die Grafschaft Ruppin, S. 33). 

Bei den im Katalog des Hohenzollernmuseums von 1930 erwähnten Stühlen mit Arm-, aber ohne Rückenlehne (auf dem Gemälde des Tabakskollegiums Stuhl des Königs), die sich danach sich bis 1918 im Jagdschloß Stern bei Potsdam erhalten hätten, handelt es sich offenbar um einen Teil der in dem Beitrag von Haeckel erwähnten 12 Nachbildungen Wusterhausener Stühle mit Seitenlehnen aus dem Jahr 1875, welche nach seiner Beschreibung ausrangiert und im Schlafzimmer des Königs aufgestellt wurden. Möglicherweise stammt der heute im Heimatmuseum Zehendorf gezeigte Drehstuhl ursprünglich aus diesem historischen Bestand des Jagdschlosses Stern. Die spannende Geschichte dieses uns vom Heimatmuseum Zehlendorf freundlicherweise zu besonderen Anlässen als Leihgabe überlassenen Stuhls ist hier beschrieben. 

Für das von Kaiser Wilhelm I. im Schloss Königs Wusterhausen wiederbelebte Tabakskollegium wurde eine lange Tafel mit zahlreichen Kopien des königlichen Drehstuhls gefertigt, damit jeder Teilnehmer einen solchen besonderen Stuhl erhielt. Ein zeitgenössischer Holzstich zeigt ein solches Treffen, das jedoch eher an Kneipabende einer Studentenverbindung erinnert. Den Begleittext zu dieser Abbildung finden Sie hier: Das alte und neue Tabakskollegium im Jagdschloss Königs-Wusterhausen.

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In der späteren musealen Nutzung des Schlosses Königs Wusterhausen bis 1945 wurde diese Tafel gezeigt.

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Leider sind sowohl der Tisch als auch die nachgefertigten Stühle dieser Ausstattung seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen. Lediglich einige der Walzenkrüge sind wohl noch im Sammlungsbestand der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Das heute dort präsentierte Mobiliar aus Originalen und Kopien des 19. Jahrhunderts versucht dagegen eine Annäherung an den ursprünglichen Zustand des Raumes. Der nicht originale Tisch und die Stühle sowie die Wandleuchter (sog. Blaker) gehörten übrigens von 1984 bis Anfang der 1990er Jahre zur musealen Ausstattung des Jagdschlosses Stern und sind erst nach der im Jahr 2000 fertiggestellten Restaurierung des Schlosses Königs Wusterhausen dorthin gelangt. 

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Rekonstruktion einer Jagdtafel im Saal des Jagdschlosses Stern zum Tag des offenen Denkmals 2021

Rekonstruktion im Saal des Jagdschlosses Stern zum Tag des offenen Denkmals 2021

 

 

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