Jan 092024
 
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Die Neujahrswanderung am Sonntag, den 7. Januar 2024 folgte in diesem Jahr wieder einigen Spuren der Geschichte in der näheren Umgebung des Jagdschlosses Stern.

Nach einer zünftigen Begrüßung durch die Jagdhornbläsergruppe „Potsdamer Parforcehörner“ startete die Wanderung mit einer kurzen Beschreibung der Situation am Jagdschloss Stern zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

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Jagdhornbläsergruppe "Potsdamer Parforcehörner"

Jagdhornbläsergruppe „Potsdamer Parforcehörner“

Das Jagdschloss mit den umliegenden Gebäuden war bei einem auf die nahe gelegene Reichsautobahn abzielenden Bombenangriff im Jahr 1944 zum Glück nicht direkt getroffen worden. Auf einem Luftbild aus dieser Zeit und auch heute noch im nahen Waldgebiet erkennbare Bombentrichter zeugen von der Wucht der Detonationen, die zu Schäden an Fenstern und Dächern führten, die jedoch bald wieder beseitigt werden konnten.

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Bei Kriegsende wäre die Umgebung des Jagdschlosses dann fast zur Kampflinie geworden, als sich die sowjetischen Panzerspitzen am 23. April 1945 von Südwesten näherten. Da die auf einem Erdwall gelegene Autobahn ein natürliches Hindernis bildete, waren an den beiden Unterführungen am Schleusengestell und der Güterfelder Chaussee (heute Großbeerenstraße) Panzersperren errichtet worden, die vom Volkssturm verteidigt werden sollten. In einer Darstellung über das Kriegsende am Stern ist anhand eines Zeitzeugenberichts beschrieben, wie die Sperranlagen kurz vor Eintreffen der sowjetischen Truppen von Babelsberger Widerstandskämpfern und von ihnen befreiten Kriegsgefangenen abgebaut wurden und so ein sinnloses Blutvergießen vermieden werden konnte.

In einer bemerkenswerten historischen Parallele zu diesen Planungen war übrigens bereits im Jahr 1883 eine Verteidigung des Jagdschlosses Stern Gegenstand eines Manövers, an dem der spätere Kaiser Wilhelm II. noch als preußischer Prinz im Rahmen seiner militärischen Ausbildung teilgenommen hatte. In einer erhalten gebliebenen handschriftlichen Meldung des Majors Wilhelm Prinz v. Preußen wird die Geländebeschaffenheit der Umgebung des Jagdschlosses Stern unter militärischen Gesichtspunkten detailliert beschrieben und skizziert. Das Jagdschloss Stern bildete dabei den Mittelpunkt einer vorgeschlagenen Befestigungslinie, um einen Angriff auf Potsdam aus östlicher Richtung abzuwehren (siehe hierzu den Beitrag Wilhelm II. verteidigt das Jagdschloss Stern).

Über das Teerofengestell ging es bei der Wanderung dann in Richtung der Autobahnunterführung an der Großbeerenstraße und von dort aus zur „Wüsten Mark“. Dabei handelt es sich um eine  seit Alters her in Karten als „Wüste Mark“ bezeichnete Feldflur, was vermutlich auf eine bereits im Mittelalter aufgegebene Siedlung (sog. Wüstung) hindeutet. Im Rahmen des umfangreichen Landerwerbs der Stadt Berlin durch den sog. Dauerwaldvertrag von 1915 vom preußischen Staat in Berliner Besitz übergegangen bildete sie von 1945 bis zu einem Gebietstausch im Jahr 1988 eine von einem Zehlendorfer Bauern landwirtschaftlich genutzte West-Berliner Enklave in der DDR.

Ebenfalls auf einen Berliner Landerwerb geht der Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde zurück, der im Jahr 1909 als außerstädtischer Friedhof der damals noch selbständigen Gemeinde Friedenau angelegt und mit einem repräsentativen Tor- und  Verwaltungsgebäude sowie einer ungewöhnlich großen Kapelle ausgestattet wurde. Anderes als der im selben Jahr eröffnete und durch die sog. Friedhofsbahn gut erreichbare Südwestkirchhof der Berliner Stadtsynode in Stahnsdorf und der 1921 von der damals ebenfalls selbständigen Berliner Gemeinde Wilmersdorf gleich daneben angelegte Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf wurde das Güterfelder Pendant jedoch nicht gut angenommen.

Dass der Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde eher abgelegen und wenig besucht war, mag ein Grund gewesen sein, warum dort in der NS-Zeit im Jahr 1942 eine Urnenbeisetzung von 383 polnischen und 720 deutschen Häftlingen aus dem KZ Sachsenhausen bei Oranienburg und dem als Nebenlager hierzu gehörenden KZ Wewelsburg/Niederhagen erfolgte. Am westlichen Rand des Friedhofs diente zudem eine größere Fläche als Begräbnisstätte für Kriegsgefangene, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie KZ-Häftlinge, darunter viele nach unzureichender medizinischer Versorgung im sog. Ausländerkrankenhaus in Mahlow bei Blankenfelde verstorbene Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Nach Kriegsende wurde das Gelände von der sowjetischen Besatzungsmacht würdig hergerichtet und mit einem Sandstein-Obelisk versehen, der folgende Inschrift (auf russisch und deutsch) trägt:

„Hier ruhen 1389 sowjetische Bürger, die während des 2. Weltkrieges verschleppt wurden und in faschistischer Gefangenschaft / Zwangsarbeitslagern den Tod gefunden haben. Die Lebenden werden ihrer stets gedenken und alles in ihrer Kraft stehende tun, um den Frieden in der Welt zu sichern und eine Wiederbelebung des Faschismus nie wieder zuzulassen.“ Tatsächlich sind auf dem Gelände auch noch über 100 weitere NS-Opfer anderer Nationalität bestattet worden.

Sowjetisches Ehrenmal Güterfelde

Sowjetisches Ehrenmal Güterfelde

Ziel eines kurzen Abstechers war dann noch das große Funktionsgebäude des Wilmersdorfer Waldfriedhofs Güterfelde in einem an englischen Landhäuser erinnernden Fachwerkstil, das für die Gärtnerei und als Remise für die zum Zeitpunkt der Anlage des Friedhofes noch gebräuchlichen hohen Bestattungkutschen errichtet wurde.

Remise am Wllmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde

Remise am Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde

Auf dem Rückweg zum Jagdschloss Stern passierte die Wandergruppe das ehemalige Elisabeth-Sanatorium, das zwischen 1912 und 1914 von dem jüdischen Arzt Dr. Walter Freimuth als Lungenheilstätte errichtet worden war. Nach verfolgungsbedingtem Zwangsverkauf und Flucht des Eigentümers ins Exil in die USA wurde das Sanatorium in der bisherigen Funktion weiterbetrieben und 1952 in eine Fachklinik für Haut- und Lymphdrüsentuberkulose umgewandelt. Es diente dann von 1967 bis 1994 als Hautklinik des Bezirkskrankenhauses Potsdam (heute Klinikum Ernst von Bergman). Nach der Rückübertragung des Gebäudes an die Familie des ursprünglichen Eigentümers stand das Gebäude lange leer und verfiel. Nach Erwerb durch eine Investorenfamilie aus Potsdam soll es nun in einen Mehrgenerationencampus mit unterschiedlichen Wohn-, Pflege und Betreuungsangeboten umgewandelt werden. Die abgebildete historische Ansichtskarte zeigt die ursprüngliche Ansicht des Gebäudes von der Südseite.

Elisabeth-Sanatorium bei Neubabelsberg, 1917

Zum Abschluss des Rundkurses konnte den Teilnehmenden noch berichtet werden, dass das Jagdschloss Stern während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 von einem Begleitkommando der britischen Delegation genutzt wurde. Die Erinnerungen unseres Vereinsmitglieds Peter Ernst an diese Zeit, die er als Kind erlebt hat, wurden jüngst durch einen Archivfund bestätigt: Ein Vermerk der Bauverwaltung an den Direktor der damalige staatlichen Schlösserverwaltung berichtet über die Einquartierung einer Automobilreparaturkolonne der britischen Armee und deren Nutzung des Schlosses als Küche und Schlafräume (siehe den Beitrag Britische Soldaten im Jagdschloss).

Nach so viel Geschichte bei winterlichen Temperaturen war es dann Zeit für einen wärmenden Glühwein sowie herzhafte Wildbratwürste, die die Jagdhornbläsergruppe im Kastellanhausgarten anbot, bevor die Gäste zum Abschied erneut mit stimmungsvollen Klängen der „Potsdamer Parforcehörner“ verabschiedet wurden.
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Ein gelungener Auftakt in ein gutes und hoffentlich auch in der Welt friedvolleres neues Jahr 2024!

 Posted by on 9. Jan. 2024 at 20:16

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